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Radioarbeiten zum Thema Holocaust

Zeitfragen „Historisierung des Holocaust“

Dieses Feature entstand im Zusammenhang mit der a+r Filmproduktion „Buchenwald. Nächste Generation“ für Deutschlandfunk Kultur. Ich konnte mit dieser Sendung meine Dreharbeiten auf dem Gelände des ehemaligen KZs Buchenwald reflektieren. Die Erstsendung geschah im April 2016. https://www.deutschlandfunkkultur.de/historisierung-des-holocaust-wie-heute-noch-das-grauen-in-100.htm

Zeitfragen „Was bleibt. Schriftsteller mit Holocausterfahrung“

Meine Freundschaft mit dem serbischen Autoren Ivan Ivanji, einem jüdischen Holocaustüberlebenden, einige persönliche Begegnungen mit Imre Kertész und meine Filmarbeiten zum Thema provozierten geradezu dieses Feature, in dem ich die Frage der Literarisierung des Zivilisationsbruches „Holocaust“ thematisieren wollte. Anregungen gaben mir die Teilnehmerinnen eines im April 2018 statt gefundenen „Kertész-Symposiums“ Christina Viragh und Irene Heidelberger-Leonard, sowie Michi Strausfeld, die sich über viele Jahre im Suhrkamp Verlag um die spanische Literatur und sich dabei mit Jorge Semprun anfreundete, worüber sie hier spricht. Marisa Siguans Buch „Lager überleben, Lager erschreiben“ war für mich eine wesentliche Inspirationsquelle. Den Freund Ivan Ivanji in Belgrad für ein Interview zu besuchen, war mir wie immer ein Vergnügen; seine Geduld und Auskunftsbereitschaft zu einem für ihn so bitteren Lebensabschnitt, kann ich gar nicht genug schätzen und ihm dafür mehr als tausendmal danken. Die Erstsendung des Features war im Mai 2018 bei Deutschlandfunk Kultur.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/lagerliteratur-die-schriftsteller-generation-mit-100.html

Zeitfragen „Wie weiter? Eine Geschichtskultur ohne Zeitzeugen“

Die Begrifflichkeit „Zeitzeuge“, gerne benutzt als Kategorisierung für die Überlebenden der NS-Verbrechen, geht mir im Laufe meiner Beschäftigung mit der sogenannten „Erinnerungskultur“, ein ebenso fragwürdiger Terminus, immer mehr auf die Nerven. In diesem Feature erfrage ich die den Wert und Sinn dieser ausgeleierten Etikettierungen ebenso wie die der gespenstisch lächerlichen Holographie-Inszenierung, in der eben jene „Zeitzeugen“ gewissermaßen auf immer visuell konserviert werden sollen. Gespenstisch in einem ganz anderen Sinn war meine Reise nach Ostpolen zu der Nazi-Vernichtungsstätte Sobibor gemeinsam mit dem polnischen Historiker Wieslaw Wysok, stellvertretender Direktor der Gedenkstätte Majdanek, die administrativ mit Sobibor verbunden ist, und der mir die Gedenkstätte sowie das 2020 eröffnete dazugehörige Museum zeigte. Gegenüber vom Museum befindet sich unrestauriert, insofern noch im Originalzustand, jene Bahnrampe auf der die unwissenden, perfide getäuschten Opfer „auswaggoniert“ wurden, dabei sich im Glauben befanden, zu einem Arbeitslager gebracht zu werden und in Wirklichkeit nur noch wenige Minuten bis zu ihrem Gastod am Leben blieben. Es ist gleichwohl jene Rampe, die in Claude Lanzmanns Film „Shoah“ Drehort ist. Hier interviewte er unnachgiebig polnische Anwohner nach ihrem Wissen über die Vernichtungsstätte in der direkten Nachbarschaft. Der erste Sendetermin des Features war im Januar 2023. https://www.deutschlandfunkkultur.de/holocaust-gedenken-geschichtskultur-ohne-zeitzeugen-100.html

Film-Buchvorstellung: Chantal Akerman: „Meine Mutter lacht“

Bisher war mir Chantal Akerman als große Filmemacherin bekannt. Ihre Filme hier zu beschreiben wäre ihnen nicht angemessen. Sie sind zu komplex, das OEuvre ist in sich zu verschiedenartig; eigentlich gibt es eine ganze Akerman Welt. Man muss sich einfach ihre Filme anschauen, viele sind auf DVD zu kriegen.

            Akermans Text kreist um ihr Zusammenleben mit der Mutter Natalia, eine Auschwitz-Überlebende, die am Ende ihres Lebens gebrechlich in ihrer Brüsseler Wohnung lebt. Die Mutter liebt diese Wohnung. Für sie, wie auch für Chantal, ist der Umzug in ein Pflegeheim undenkbar: dort stirbt man. Der Lebensmut, oder besser: die Lebenslust der Mutter ist so stark, dass sie zur Hochzeit ihrer Enkelin nach Mexiko fliegt, wo Chantal Akermans Schwester mit Familie lebt. Dort muss die Mutter ins Krankenhaus – eine Herzoperation, die gut ausgeht.

Es gibt im Buch Parallelgeschichten. Vor allem die, in der Akerman das Ende einer Liebesbeziehung für sich und den Leser seziert. Die Orte der Handlungen wechseln zwischen Paris, Brüssel, New York und Mexiko. Das alles klingt kompliziert, ist es aber überhaupt nicht. Akermans Text ist diszipliniert und wohlstrukturiert. Ihre Prosa ist ein einziger Beat, der geradeaus nach vorne erzählt, fesselnd, unsentimental, wütend, zärtlich, atemlos. Diese klare Unaufhörlichkeit ist es, die den Leser geradezu zwingt, dranzubleiben. Und das ist mega-mega spannend. 

Ihre Art, ihre Lust zu schreiben hat sie in ihrem Text selbst so erklärt:

„Ich schreibe auch gerne auf, was passiert, selbst wenn nichts passiert. Ja, da fühle ich mich auch als jemand, der etwas zu tun hat, auch wenn nichts passiert.

            Aber es passiert trotzdem etwas, Kleinigkeiten.

            Das Telefon klingelt. Worte werden gesagt oder gewechselt. Stille. Manchmal Seufzer. Geräusche der Nachbarn. Der Fahrstuhl, der steckenbleibt. Zu leerende Mülleimer und wieder Worte, gesagt oder kaum gewechselt“.

Natürlich ist Chantal Akermans Text vor allem auch eine einzige große Liebeserklärung an ihre Mutter. Die Beziehung der beiden in den letzten Lebensmonaten der Mutter zeigt Akermann –gewissermaßen parallel und ergänzend zu ihrem Text– in ihrem Dokumentarfilm „No Home Movie“, der im August 2015 Premiere hatte. Im Oktober desselben Jahres nahm sich Akerman das Leben – knapp eineinhalb Jahre nach dem Tod der Mutter.

Chantal Akerman „Meine Mutter lacht“; Diaphanes Verlag Zürich 2022

Leider nicht so doll…

Buchbesprechung

„konrad wolf chronist im jahrhundert der extreme“ von Antje Vollmer und Hans-Eckardt Wenzel ist ein Trauerspiel.

Alles beginnt mit meiner Neugier: was bewegt eine prominente Politikerin und ein etwas weniger bekannter Liedermacher gemeinsam ein Buch über Konrad Wolf zu schreiben? Zumal –glaube ich– über und von keinem anderen DEFA Regisseur bereits soviel geschrieben und veröffentlicht worden ist wie zur Person Konrad Wolf. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich das Buch gelesen. Tatsächlich bis zum Ende. Belohnt wurde meine Neugier nicht. Selbst in dem „kleinen Nachwort“ der beiden wird klar, weshalb sie sich ausgerechnet für Konrad Wolf interessieren. Stattdessen erklärt man, dass das Buch via einen Briefwechsel entstanden ist, um:

„unterschiedliche Sichten zu einem (Hervorhebung durch die Autoren, S.R.) Buch zusammenzufügen, um mit den Erfahrungen der eigenen Geschichte eigene Hoffnungen und Illusionen zu beschreiben. Die gelegentliche Disparatheit der Texte offenbart den Charakter dieser Suche.“

Ich habe weder gelegentlich noch überhaupt irgendeine (spannende) Disparatheit oder etwas über die Hoffnungen oder Illusionen des Autorenpaars herauslesen können. Weder in Beziehung der Autoren zur Person der Zeitgeschichte Konrad Wolf, noch überhaupt. Das ist schon sehr schräg. Stattdessen größtenteils Wiedergekäutes. Die Reproduktion bereits hundertmal Beschriebenes bis hin zu den klassischen Anekdoten, wie die über Christa Wolf und Anna Seghers und des Bode Museums während des 11. Plenums oder dass Konrad Wolf gerne Pelmeni fabrizierte. Gähn.

Um fair zu sein, das erste Drittel des Buches ist interessant. Hier werden vor allem die Person und das Werk von Friedrich Wolf, Vater u.a. von Konrad, und der Family nebst Nebenfrauen und Kindern unterschiedlicher Mütter beschrieben. Hier ist tatsächlich von Hoffnungen und Illusionen die Rede, die dann spätestens im Sowjet-Exil größtenteils zerstoben. Hier atmet Zeitgeschichte. Spannend erzählt, mit Gossip gewürzt. Super.

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„langsames diesseits. vier monologe“

Ein Film von Siegfried Ressel und Hannes Richter

Annäherungen und Reflexionen zum Film

 

Es beginnt mit einer leeren Fläche. Betritt man das Gelände der KZ Gedenkstätte Buchenwald durch das Haupttor stößt man auf Leere. Auf eine leicht abschüssige Ebene, die mit nichts außer Schotter bedeckt ist. In der Ferne ist bei guter Sicht der bläuliche Südharz zu sehen und im Mittelgrund ein Windpark, der auf einen ökologisch werterhaltenden Alltag schließen lässt. Hier jedoch, auf dem Appellplatz von Buchenwald, ist nichts alltäglich. Hier war nie etwas „alltäglich“ im Sinne eines selbstbestimmten, vorzugsweise gemütlichen Lauf des Lebens, denn zwischen 1938 und 1945 herrschten hier Mord und Totschlag der NS Vernichtungspolitik.

Diese leere Fläche ist eine Provokation. Keine freundliche Einladung. Kein Willkommen, nirgendwo. Sie war/ist unser gedanklicher Ausgangspunkt von mittlerweile 3 Filmen und einem Rundfunkfeature. Alle diese Arbeiten drehen sich um die heutige, also scharfkantig gegenwärtige Frage nach der Darstellbarkeit, Vermittelbarkeit des nationalsozialistischen Terrors gegen Andersdenkende, Andersseiende, Widerständler, Menschen anderer Nationalitäten, Sinti, Roma und Juden; der Terror mündete in Vernichtung, für beides –Terror und Vernichtung – schuf man innert kürzester Zeit Verbrechensorte, die Konzentrationslager, für die man schnell eine verwaltungstechnische Abkürzung fand: „KL“; später verselbstständigt zu „KZ“.

Die Leere als fremdes Land, als offenes Territorium, als schroffe Verschotterung. Als KZ-Gedenkstätte. Als Wahrnehmung.

Leere, die als Leere nach dem Zivilisationsbruch kommen muss. Wie der Knall nach dem Durchbrechen der Schallmauer.

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Alexander Bytschok 26. August 1925 bis 27. März 2021

Wir erlebten Alexander zum ersten Mal 2015 zum 70. Jubiläum der Befreiung von Buchenwald. Wie ein Irrwisch (Alexander war klein und schmal) bahnte er sich durch Gruppen flanierender Teilnehmer der gerade zu Ende gegangenen Gedenkfeier auf dem Appellplatz des Lagergeländes seinen Weg zum Schotterfeld, das den Grundriss seines ehemaligen Blocks darstellt, und umarmte heftig und lange den Granitstein mit der Nummer 45, der den Block markiert. „Mein“ Block“. „Mein Block“, wimmerte Alexander während dieser seltsamen Umarmung; Pressefotografen und Kameraleute lichteten dankbar diese spektakuläre Szene ab, zumal er auch noch die grau-blau gestreifte Häftlingskleidung trug. Das Ganze war, ich kann es nicht anders sagen: schräg. Es passte absolut nicht zu der naturgemäßen Getragenheit und Seriosität dieser jährlich im April stattfindenden Feier. Ja, es hatte etwas Verstörendes, eine Narretei, die man von offizieller Seite tolerierte, weil ehemalige Häftlinge selbstverständlich ihre persönliche Form des Gedenkens auf dem Ettersberg ausleben dürfen.

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3sat KuZeit-Serie:
„Was macht eigentlich…?“

Dreh im Lyrikkabinett München  mit Ursula Häusgen und Holger Pils. Am Licht Kameramann Felix Greif.

Jenseits des Rampenlichts beginnen die Mühen der Ebenen im sog. „Kulturbetrieb“. Die meisten KulturarbeiterInnen schaffen hier, im Schatten der Scheinwerfer und ohne Applaus. Es sind Jobs in tristen Büro`s, mit Überstunden ohne Ende und meistens prekärem Einkommen. Und das Publikum weiss nichtmal, was „die“ so machen…

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„Mythos Suhrkamp“. Begegnungen.

„Mythos Suhrkamp“ / 2x 37 Minuten, Farbe, 16:9 / Ein Film von Siegfried Ressel / Buch und Regie Siegfried Ressel / Buch Corinna Belz / Schnitt Emma Gräf / Kamera Christoph Rohrscheidt, Siegfried Ressel, Hannes Richter, Leif Karpe und Johannes Kröger / Ton Hannes Richter / Graphik Toby Cornisch / Tonmischung /Lorenz Fischer / Transkript Julia Gerberich / Sprecher Martin Engler, Barbara Kowa / Redaktion 3sat Bettina von Pfeil / Redaktionsassistenz 3sat Astrid Wiesner, Martin Wachter / eine Koproduktion der a+r film mit ZDF und 3sat / (c) 2019
Erstausstrahlung:
jeweils 19:20 Uhr am 31. August und am 07. September 2019 auf 3sat.

https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/190831-deutschedebatten-suhrkamp-102.html

https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/190831-deutschedebatten-suhrkamp2-100.html

– Begegnungen. Hans Magnus Enzensberger (in München), Martin Walser (in Wasserburg) und Peter Bichsel (in Bellach, Schweiz). Das Betreten von Werkräumen, Schaffensräumen. Museale Stätten und Lebensräume zugleich. Sie betreten zu dürfen, das sind Geschenke. Hier wird noch geschrieben bei lebendigem Leibe. Freundlichkeiten, Wärme. Die Zeiten von Verdruß sind längst vorüber. Unsterblichkeit macht gangsicher. Keine Inanspruchnahme von Altersweisheit (ein ungelöster Fahrschein, der beim Schlüsselbund liegt). Unten das Münchener Verkehrsrauschen, draußen die graue Fläche des Bodensees vor Wasserburg. Ein Haus vor Seelandschaft. Zurückgesetzt mit großen Fenstern. Walsers Blick hinaus ins Freie. Enzensberger schaut hinunter. Kocht Kaffee. „Wollt`s Ihr einen?“ Bichsels Verwunschenheit in der Seitenstraße bei klarem Sommerwetter im Januar. Gastfreundschaft als Zeichen von Souveränität und Selbstbestimmung. Mit Bichsel als Gegenüber am Tisch Nachdenken über Unseld, eine Passage, die leider im Film nicht unterkam: Humor war nicht seine Stärke. Wenn man in einer Gesellschaft saß, wo gelacht wurde, wo Witze erzählt wurden; er konnte gar nichts anfangen mit Witzen, aber dann hat er diese Eigenschaft, was Gehörlose ab und zu haben in einer Gesellschaft: wenn gelacht wurde, war er nicht sicher, ob über ihn gelacht wird. Und da konnte er sehr sehr hilflos sein. Er kannte das nicht, dass lachen über jemanden auch Zuneigung sein kann.“

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