Film-Buchvorstellung: Chantal Akerman: „Meine Mutter lacht“

Bisher war mir Chantal Akerman als große Filmemacherin bekannt. Ihre Filme hier zu beschreiben wäre ihnen nicht angemessen. Sie sind zu komplex, das OEuvre ist in sich zu verschiedenartig; eigentlich gibt es eine ganze Akerman Welt. Man muss sich einfach ihre Filme anschauen, viele sind auf DVD zu kriegen.

            Akermans Text kreist um ihr Zusammenleben mit der Mutter Natalia, eine Auschwitz-Überlebende, die am Ende ihres Lebens gebrechlich in ihrer Brüsseler Wohnung lebt. Die Mutter liebt diese Wohnung. Für sie, wie auch für Chantal, ist der Umzug in ein Pflegeheim undenkbar: dort stirbt man. Der Lebensmut, oder besser: die Lebenslust der Mutter ist so stark, dass sie zur Hochzeit ihrer Enkelin nach Mexiko fliegt, wo Chantal Akermans Schwester mit Familie lebt. Dort muss die Mutter ins Krankenhaus – eine Herzoperation, die gut ausgeht.

Es gibt im Buch Parallelgeschichten. Vor allem die, in der Akerman das Ende einer Liebesbeziehung für sich und den Leser seziert. Die Orte der Handlungen wechseln zwischen Paris, Brüssel, New York und Mexiko. Das alles klingt kompliziert, ist es aber überhaupt nicht. Akermans Text ist diszipliniert und wohlstrukturiert. Ihre Prosa ist ein einziger Beat, der geradeaus nach vorne erzählt, fesselnd, unsentimental, wütend, zärtlich, atemlos. Diese klare Unaufhörlichkeit ist es, die den Leser geradezu zwingt, dranzubleiben. Und das ist mega-mega spannend. 

Ihre Art, ihre Lust zu schreiben hat sie in ihrem Text selbst so erklärt:

„Ich schreibe auch gerne auf, was passiert, selbst wenn nichts passiert. Ja, da fühle ich mich auch als jemand, der etwas zu tun hat, auch wenn nichts passiert.

            Aber es passiert trotzdem etwas, Kleinigkeiten.

            Das Telefon klingelt. Worte werden gesagt oder gewechselt. Stille. Manchmal Seufzer. Geräusche der Nachbarn. Der Fahrstuhl, der steckenbleibt. Zu leerende Mülleimer und wieder Worte, gesagt oder kaum gewechselt“.

Natürlich ist Chantal Akermans Text vor allem auch eine einzige große Liebeserklärung an ihre Mutter. Die Beziehung der beiden in den letzten Lebensmonaten der Mutter zeigt Akermann –gewissermaßen parallel und ergänzend zu ihrem Text– in ihrem Dokumentarfilm „No Home Movie“, der im August 2015 Premiere hatte. Im Oktober desselben Jahres nahm sich Akerman das Leben – knapp eineinhalb Jahre nach dem Tod der Mutter.

Chantal Akerman „Meine Mutter lacht“; Diaphanes Verlag Zürich 2022