Kategorie: 2021

„langsames diesseits. vier monologe“

Ein Film von Siegfried Ressel und Hannes Richter

Annäherungen und Reflexionen zum Film

 

Es beginnt mit einer leeren Fläche. Betritt man das Gelände der KZ Gedenkstätte Buchenwald durch das Haupttor stößt man auf Leere. Auf eine leicht abschüssige Ebene, die mit nichts außer Schotter bedeckt ist. In der Ferne ist bei guter Sicht der bläuliche Südharz zu sehen und im Mittelgrund ein Windpark, der auf einen ökologisch werterhaltenden Alltag schließen lässt. Hier jedoch, auf dem Appellplatz von Buchenwald, ist nichts alltäglich. Hier war nie etwas „alltäglich“ im Sinne eines selbstbestimmten, vorzugsweise gemütlichen Lauf des Lebens, denn zwischen 1938 und 1945 herrschten hier Mord und Totschlag der NS Vernichtungspolitik.

Diese leere Fläche ist eine Provokation. Keine freundliche Einladung. Kein Willkommen, nirgendwo. Sie war/ist unser gedanklicher Ausgangspunkt von mittlerweile 3 Filmen und einem Rundfunkfeature. Alle diese Arbeiten drehen sich um die heutige, also scharfkantig gegenwärtige Frage nach der Darstellbarkeit, Vermittelbarkeit des nationalsozialistischen Terrors gegen Andersdenkende, Andersseiende, Widerständler, Menschen anderer Nationalitäten, Sinti, Roma und Juden; der Terror mündete in Vernichtung, für beides –Terror und Vernichtung – schuf man innert kürzester Zeit Verbrechensorte, die Konzentrationslager, für die man schnell eine verwaltungstechnische Abkürzung fand: „KL“; später verselbstständigt zu „KZ“.

Die Leere als fremdes Land, als offenes Territorium, als schroffe Verschotterung. Als KZ-Gedenkstätte. Als Wahrnehmung.

Leere, die als Leere nach dem Zivilisationsbruch kommen muss. Wie der Knall nach dem Durchbrechen der Schallmauer.

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Alexander Bytschok 26. August 1925 bis 27. März 2021

Wir erlebten Alexander zum ersten Mal 2015 zum 70. Jubiläum der Befreiung von Buchenwald. Wie ein Irrwisch (Alexander war klein und schmal) bahnte er sich durch Gruppen flanierender Teilnehmer der gerade zu Ende gegangenen Gedenkfeier auf dem Appellplatz des Lagergeländes seinen Weg zum Schotterfeld, das den Grundriss seines ehemaligen Blocks darstellt, und umarmte heftig und lange den Granitstein mit der Nummer 45, der den Block markiert. „Mein“ Block“. „Mein Block“, wimmerte Alexander während dieser seltsamen Umarmung; Pressefotografen und Kameraleute lichteten dankbar diese spektakuläre Szene ab, zumal er auch noch die grau-blau gestreifte Häftlingskleidung trug. Das Ganze war, ich kann es nicht anders sagen: schräg. Es passte absolut nicht zu der naturgemäßen Getragenheit und Seriosität dieser jährlich im April stattfindenden Feier. Ja, es hatte etwas Verstörendes, eine Narretei, die man von offizieller Seite tolerierte, weil ehemalige Häftlinge selbstverständlich ihre persönliche Form des Gedenkens auf dem Ettersberg ausleben dürfen.

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