Buch unter Druck – eine Kontroverse

Unser neuer Film, zu sehen
am 14. Oktober 2015, um 21.30 auf arte


 

Schon in den Anfängen der digitalen Zeiten wurde der Beginn einer papierlosen Welt verkündet und damit der Untergang des Buches prognostiziert. Seit dem sind nun schon einige Jahre vergangen, die Umsatzanteile digitaler Bücher sind mittlerweile eine Tatsache, große Buchhandelsketten und „der Buchhändler an der Ecke“ verschwinden, und Onlinehändler wie ‚amazon‘ stellen den Buchmarkt auf den Kopf. Das Buch in seiner klassischen Form wird heftig  in Frage gestellt. Genauso wie die dazu gehörigen Verlage und Buchhändler. Wozu Bücher? Wozu noch Buchhandlungen? Wozu Verlage, wenn es Selfpublishing gibt? Alles nur noch anachronistische Überbleibsel einer längst vergangenen analogen Zeit? Eine unlösbare Kontroverse, die unser Kultur- und Leseverständnis in Frage stellt.

In unserem Film Buch unter Druck. Eine Kontoverse kommen ausschließlich „Buchmenschen“ zu Wort, die mit Leidenschaft ihre Sache vertreten, egal ob analog oder digital. Man spürt, der Buchmarkt wird immer noch auch von Menschen „gemacht“, die beseelt sind, die tägliche Kulturarbeit leisten ohne subventioniert zu werden. Im Gegenteil: Buchhändler zu sein, hat meistens mit Unterbezahlung und Selbstausbeutung zu tun.

Selbstkritisch äußern sich die Verlagsmenschen: erst hat man große Buchhandelsketten zu Lasten der Kiezbuchhandlungen bevorzugt, dann ist man amazon, weil die so schön einfach und kritiklos als Verkaufsplattform sind, auf den Leim gegangen. Bis die dann immer mehr Rabatte und Handelsvergünstigungen für sich wollten und damit den Buchmarkt an ihre wirtschaftlichen Grenzen und damit fast in den Ruin getrieben haben. Ätsch, möchte man sagen, wenns nicht so blöd und auch so durchschaubar gewesen wäre. Aber hier setzen Lernprozesse ein und Umdenken findet statt. Zu oft haben die Marketingleute der Verlage die Zahlen im Blick gehabt und nicht den Leser resümiert die großartige Sabine Wespisier, selbst Verlegerin aus Paris und hatte sich einst selbst von einem großen Verlag abgewandt um einen kleinen zu gründen. Überschaubar und im Dienst ihrer Autorinnen und Autoren und natürlich der Leser. Diese Ansprüche teilt Zoë Beck als Verlegerin ganz genau so – nur dass ihre Bücher ausschließlich digital zu bekommen sind, denn Culturbooks.de ist ein reiner Onlineverlag. Hier sieht sie die Zukunft, die bei ihr schon längst angefangen hat.

Aber: es gibt sie ja wirklich noch, die analogen Buchhändler. Im Film ist es zum einen Carsten Wist vom Literaturladen Potsdam, gerade erst gekürt mit dem ersten Deutschen Buchhandlungspreis. Und zum anderen die Buchhandlung Mollat in Bordeaux. Ist die eine Buchhandlung klein aber fein, ist Mollat groß und fein. Beide setzen auf die Literatur, aufs Lesen, auf den Geist der Autoren, der eine auf ca. 100 qm, der andere auf 7000 qm. Beiden fällt immer nochwas ein, sie sind innovative zukunftsgewandt, seelenvoll. Ein Fest der Bücher, täglich und ohne nachzulassen. Wist´s  Laden ist gerade 25 Jahre alt geworden, Mollat`s Geschäft wird nächstes Jahr 125. Beide, Wist und Mollat, treffen sich am 07. Oktober in Bordeaux zur Preview unseres Films. Ein Kreis, der sich schließt, der Beginn einer großen Freundschaft, voilà.

Stefan Weidner, Autor, sieht den Buchhandel kritisch und zugleich anachronistisch. Zu lange hat man sich im Elfenbeinturm eingeschlossen und die digitalen Realitäten und -Möglichkeiten ignoriert. Selber Schuld also wenn AutorInnen immer mehr zu selfpublisher werden, damit zu amazon gehen und weder Verleger noch Buchhändler benötigen. Ein direkter Weg vom Schriftsteller zum Leser, den Florence Noiville, ebenfalls Autorin, „demokratisch“ findet, während Reiner Groothuis dem stark widerspricht: Monopole haben einer Demokratie noch nie genützt.

Reinhold Joppich, ein Urgestein des Deutschen Buchhandels und Verkaufsleiter bei Kiepenheuer und Witsch, kritisiert ebenfalls die Buchhändler als mittlerweile zu Teilen apolitisch, findet aber auch genaue deutlich kritische Worte zu amazon…Darauf, Reinhold, eine Runde Kölsch!

Den Kernsatz des Films sagt Andreas Rötzer: „Die Buchhandlungen sind Orte zukünftiger Revolutionen“. Ja! Genau! Man geht hin, wird nicht abgehört, stöbert wie eh und je in Büchern, die Zufallsbekanntschaften sein können oder Freunde fürs Leben werden. Kein Leseverhalten wird abgefragt, keine Likes werden angefordert. Lesen ist und bleibt hier Privatsache und wird somit zum subversiven Akt. So schön und auch wieder beklemmend.

Das Schlusswort im Film spricht Clemens Meyer. Es ist ein langes, ein lustiges, und man findet, genau so ist es. Ein Schriftsteller, der einem gnadenlos aus dem Herzen spricht. Und mit dem man sein Glück teilen möchte.

Die Credits sind: Buch/Regie/Kamera: Siegfried Ressel + Schnitt: Emma Gräf + Kamera: Christoph Rohrscheidt + Ton: Hannes Richter + Animation: Juliane Ebner + Schauspieler: Felix Freese + Produzent: Peter Hartwig + Redaktion Martin Pieper + eine Produktion der a+r film in Zusammenarbeit mit ZDF und Arte